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Workshop Verteilungsgerechtigkeit am 2.5.17

erstellt am: 03.05.2017

Was empfinde ich ganz persönlich als gerecht bzw. ungerecht? Sind Chancen, Freiheit oder Vermögen gerecht verteilt? Diesen und ähnlichen Fragen wurde am 2.5.2017 in einem von Stephan Pühringer gehaltenen Workshop an unserer Schule nachgegangen.
Mittels einer kurzen Gedankensammlung wurden Begrifflichkeiten wie Chancengleichheit, Diskriminierung, Wahlfreiheit, Ausbeutung, Kastensystem, Gemeinwohlorientierung uvm den Kategorien „Gerecht“ und „Ungerecht“ zugeteilt.

Mit dem Schlagwort Ausbeutung als Ungerechtigkeit konnten sich alle SchülerInnen identifizieren. Bei anderen Begriffen wie Diskriminierung oder Verantwortlichkeiten ergab sich sofort eine Diskussion, wie sie gemeint sind, welche Bedingungen sie einschließen usw. Manches konnte deshalb nicht aufgelöst werden und blieb eine Frage der Perspektive.
Schlussendlich kristallisierten sich zwei Pole heraus, zwischen denen Ideen vom Zusammenleben oszillieren. Einerseits ist die (individuelle) Freiheit ein manifester Gedanke jeder Gesellschaft und andererseits hält die Gleichheit die Menschen zusammen. Wie ein gerechtes Ausverhandeln zwischen den Polen Gleichheit und Freiheit idealerweise aussehen könnte, wurde anhand des Inselexperiments (Auf welcher der fünf Inseln möchtest du leben?) spielerisch erarbeitet.
Die unmittelbare Auswertung zeigte sofort, dass wohl Tendenzen in der Präferenz der SchülerInnen erkennbar sind, Einheitlichkeit sieht jedoch anders aus. Die Entscheidung ist auch nicht leicht zu fällen, da jede Insel sowohl Vorteile als auch Nachteile bietet. Das Abwägen dieser Aspekte half das eigene Verständnis von Gerechtigkeit sichtbarer zu machen. Außerdem konnten wir sehen, dass selbst in dieser sehr gemeinwohlorientierten SchülerInnengruppen in der Diskussion unterschiedliche Ansichten zu den einzelnen Vorteilen bzw. Nachteilen der Inseln zum Vorschein kamen.
Ein theoretischer Input der fünf Gerechtigkeitstheorien, in denen das vorangegangene Experiment der fünf Inseln seine Entsprechung findet, bot nochmals die Chance zum Ausloten der eigenen Vorstellungen „Wie sollte eine gerechte Gesellschaft organisiert sein“.
1.    John Rawls (SLW) – Gerechtigkeit als Fairness, Schleier des Nichtwissens
2.    Ronald Dworkin (NIK) – gerechter Tausch auf Märkten
3.    Robert Nozick (KCI) – Anarchie, Minimalstaat
4.    Martha Nussbaum, Amartya Sen (NEMU) – Befähigungsansatz, Gerechtigkeit muss von allen Menschen ausgehandelt werden
5.    Gerald Cohen (NEH) – Gleichheit ist gerecht, Gerechtigkeit muss erlernt und geübt werden
In einem nächsten Schritt sollten nun die SchülerInnen selbst anhand einer fiktiven 3-teiligen Gesellschaft mehr Gerechtigkeit durch eine eventuelle Umverteilung des Vermögens herbeiführen. Interessanterweise glichen die gemittelten Vermögenswerte (19, 34, 46) den drei österreichischen Steuerklassen. An dem Kriterium der Leistungsbereitschaft, welches unter anderen die Unterschiedlichkeit der drei Gruppen charakterisierte, entzündete sich sogleich eine lebhafte Diskussion unter dem Motto „Soll der/die Leistungsbereite mit mehr Chancen, Vermögen usw ausgestattetet werden? oder braucht vielleicht gerade der/die weniger Leistungsbereite ein mehr an Unterstützung?“.
Zum Schluss lieferte uns Herr Pühringer einige Zahlen zur Verteilung von Vermögen und Einkommen in Österreich und International. Die Frage in welcher Größenordnung sich die Unterschiede  bewegen sollten bzw. welchen Gerechtigkeitskorridor für Einkommen und Vermögen sich eine Gesellschaft selbst einschreibt, konnte jede/r für sich selbst beantworten.
Am Ende dieses Nachmittags konnten wir auf einen wertvollen Austausch über Vorstellungen von Gerechtigkeiten zurückblicken. Ein stetiges Aushandeln um eine gemeinsame Vorstellung von „Wie wolllen wir zusammenleben?“ scheint jedenfalls unumgänglich zu sein.
Vielen Dank an Stephan Pühringer für die Bereitschaft diesen Workshop an unserer Schule abzuhalten. Ebenso ein großes Dankeschön an die teilnehmenden SchülerInnen, die durch ihre Bereitschaft und Diskussionsbeiträge einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Nachmittags geleistet haben.